"Wenn sich neko bungaku, das beliebte Genre der japanischen Katzenliteratur, mit einem Klassiker literarisierter menschlicher Erkenntnis – Dantes Divina Commedia – trifft, ergibt dies, geschüttelt und gerührt im weltliterarischen Content-Cocktailmixer, den Text Die Katze, die von Büchern träumte. Protagonist des dramatischen Geschehens ist Rintarô, der, früh Waise geworden, im Antiquariat seines Großvaters aufwächst. Nach dem plötzlichen Tod der geliebten Bezugsperson gerät der zurückhaltende Schüler in eine existentielle Krise. Er bleibt der Schule fern und kapselt sich, beinahe schon auf dem Weg zum hikikomori, ab. Als die Tante anreist, um das Begräbnis des Verstorbenen und die Abwicklung des Ladens zu organisieren, verarbeitet er das Geschehene auf eine besondere Art und Weise [...]
Natsukawa legt seine Geschichte zum einen als Plädoyer für ein bewährtes und unbedingt zu bewahrendes Kulturgut an, zum anderen als katzengestütztes Lehrmodul der Reifung. Durch den Protagonisten erklärt der Verfasser einige Werke zum guten Buch bzw. zum weltliterarischen Kanon, darunter Nachtflug von Saint-Exupéry, Dr. Samuel Johnson: Leben und Meinungen von James Boswell, Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel García Márquez und – als einzigen japanischen Titel – Lauf Melos! von Osamu Dazai. Solche wichtigen Repräsentationen des Mediums wären schwerer zu lesen, garantierten aber die Entdeckung von Neuem, während die aktuell produzierte Schmökerware nur Altbekanntes wiedergebe, das die schnelle, weil einfache Lektüre erlaube."
Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 17. Januar 2023
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