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Kriegsikonografie in Japans Moderne am Beispiel repräsentativer Propaganda-Kimono

Updated: Aug 3, 2022

von Eva Jungmann
















Woman's michiyuki with a scene of the Pearl Harbor Bombing (The BriFle Decade.

Visualizing Japan in the 1930s, 2012, S. 142/143). Mit freundlicher Genehmigung

von Norman Brosterman.


1. Einführung in das Thema


In der Modernisierungsphase richtete sich Japan in allen gesellschaftlichen Ebenen nach neuen Idealen aus, die Nationenbildung wurde die die neue Leitlinie (vgl. Jansen/Borggräfe 2007: 89), die Halt und Identität bieten sollte. Im Zuge der Meiji-Restauration (Meiji isshin

明治一新 1868) wirkte sich der Modernisierungsprozess auch auf die Textilkunst aus. Der gesamte Prozess war nicht nur von einer rapiden Industrialisierung und Urbanisierung begleitet, sondern auch von einer aggressiven Expansionspolitik, weswegen sich bei der Textilherstellung, d.h. auf Kleidungsstücken immer häufiger Kriegsmotive fanden (Atkins/Otaka 2005: 81). Für einen zeitgenössischen Betrachter scheinen Kriegsmotive auf Kleidungsstücken bizarr, jedoch stellen sie Zeugnisse einer militarisierten Alltagspraxis in Japans Moderne dar und belegen die Kriegskonformität in der damaligen Konsumkultur (Weber Soros 2005: 9).


Wenn man einen genaueren Blick auf populärkulturelle Propaganda in der Moderne Japans wirft und in einem zweiten Schritt auf Propaganda-Kimono, lässt sich auch vom heutigen Standpunkt gut nachvollziehen, warum Textilkunst wie diese auf die Bevölkerung einwirken und warum sie für die Propagandamaschinerie der aggressiven Expansionspolitik Japans missbraucht werden konnte (Weber Soros 2005: 9). Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht folgende zentrale Frage: Inwieweit können im Japan der 1930er Jahre Textilien als militarisierte Alltagspraxis gelten, und in welchem Ausmaß wurden sie für welche propagandistische Zwecke eingesetzt? Um der Fragestellung nachzugehen, werden repräsentative Propaganda-Kimono und Textilien mit Kriegsmotiven herangezogen.

Es wird der Versuch unternommen, eine für die Diskussion der damaligen japanischen Kriegsikonografie angemessene Einschätzung des Phänomens zu finden sowie die geschlechterspezifischen Unterschiede herauszuarbeiten.


1.1. Forschungsstand

Wenn man sich mit Kriegsikonografie auf japanischer Textilkunst beschäftigen möchte, stößt man unweigerlich auf die umfassenden Sammelbeiträge im Katalog Wearing Propaganda. Textiles on the Home Front in Japan, Britain, and the United States (2005) von Jacqueline Atkins, Textil-Historikerin und beratende Kuratorin der Itchiku Kubota Kimono Collection.[1] Der Band begleitete die gleichnamige Ausstellung im Bard Graduate Center in New York. Die darin enthaltenen 13 Beiträge sind in vier Bereiche unterteilt: eine allgemeine Kontextualisierung, die visuelle Kultur des Krieges, das tatsächliche Tragen der Kleidung sowie die speziellen Motive des Pazifikkrieges. Der Beitrag von Wakakuwa Midori 若桑

みどり (1935-2007) ist besonders hervorzuheben. Sie war Kunsthistorikerin und in ihrer Forschung besonders auf geschlechterspezifische Fragen spezialisiert. Ein wichtiger Aspekt, da die Geschlechter-Komponente eine zentrale Rolle bei Propaganda-Motiven auf Kleidungsstücken spielt. Barak Kushner, Professor für ostasiatische Geschichte an der Universität Cambridge, liefert mit seiner Publikation Dreams of an Empire. Japanese Propaganda Textiles (2011) weitere Einblicke in das Forschungsfeld der Propaganda-Kimono; er fokussiert sich darauf, wie die Regierung es vermochte, die Bevölkerung für

den Krieg zu mobilisieren.


Im japanischen Forschungsumfeld ist Kimonogara ni miru sensô 着物柄に見る戦争 (Kimono mit Kriegsmotiven, 2007) von Inui Yoshiko 乾 淑子 zu nennen. Inui ist an der Hokkaidô-Tôkai-Universität (北海道東海大学) tätig und forscht seit den frühen 2000er Jahren zum Thema. Sie hat für ihre private Sammlung über 500 Objekte erwerben können (vgl. Mainichi Shimbun 2014: o. A.). Der Band basiert auf der Sammlung und begleitet jedes Objekt mit einer Infobox und kurzen Einführungen zu historisch relevanten Ereignissen und erörtert bestimmte Kategorien.


Um darüber hinaus weitere Exponate zu sichten, kann man sich auf diverse Ausstellungs-projekte und Sammlungen in öffentlicher und privater Hand stützen. In Deutschland ist zum Beispiel die Kooperation zwischen dem Völkerkundemuseum Heidelberg, dem Lindenmuseum in Stuttgart und dem Museum Fünf Kontinente in München anzuführen, die gemeinsam 52 Propaganda-Kimono erworben haben. Im anglophonen Bereich ist die Privatsammlung Norman Brosterman[2] zu nennen, der einige seiner Exponate an das Museum of Fine Art Boston spendete. Zudem ist der Künstler Eric Jacobsen aufzuführen. Seine Spende an das Fine Art Museum of San Francisco trug zur Ausstellung „Weapons of Mass Seduction: The Art of Propaganda“ im Jahr 2018 bei. Jacobsen war bereits bei der Ausstellung zu der Publikation Dreams of an Empire. Japanese Propaganda Textiles beteiligt.


Für die theoretische Grundlage im Analyseteil dieses Artikels findet Conflicts of Interest:

Art and War in Modern Japan (2016) von Philip Hu et al. Verwendung. Der Sammelband geht der Frage nach, wie Kunst Krieg porträtiert. Die ebenfalls rezipierte Publikation Kamikaze, Cherry Blossoms, and Nationalisms. The Militarization of Aesthetics in Japanese History (2002) von Emiko Ohnuki-Tierney legt Symbole und Ästhetik der totalitären Ideologie offen.[3] Ergänzt werden die beiden Titel mit The Thought War. Japanese Imperial Propaganda (2006) von Barak Kushner; der Beitrag zeichnet die Entwicklung der Propaganda-Maschinerie in Japans Moderne nach - unter umfassender Verwendung japanischer Primärliteratur.[4]


Für die Diskussion des Nationalen werden die Publikationen Thought and Behaviour in Modern Japanese Politics (1979) von Maruyama Masao, Nation - Nationalität - Nationalismus (2007) von Christian Jansen und Henning Borggräfe sowie Die Erfindung

der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts (1996) von Benedict Anderson herangezogen. Der japanische Denker Maruyama Masao liefert spezifischere Einblicke in die Nationenbildung Japans und fokussiert sich auf den Tennô-Zentrismus und das Ablehnen demokratischer Bewegungen im japanischen Nationalismus​ (vgl. Maruyama 1979: 1). Die Publikation von Jansen und Borggräfe wiederum führt nicht nur einen Überblick über alle wichtigen Vertreterinnen der Nationalismus-Forschung an, sondern präsentiert auch einen Analyse-Leitfaden, mit dem diverse Merkmale einer Nation herausgearbeitet werden können. Hier ist vor allem die symbolische Ebene von Bedeutung, die sich auf Nationalfeiern, kulturelle Selbstdarstellung, Hymnen, Flaggen und weitere staatliche Identifikationsmerkmale richtet (vgl. Jansen/Borggräfe 2007: 19). Erwähnenswert ist außerdem der Sammelband Gender, Nation and State in Modern Japan (2014). Die Beiträge berühren den Forschungsgegenstand der Propaganda-Kimono nur am Rande, sind aber im Zusammenhang mit dem Nationendiskurs und den geschlechterspezifischen Aspekten der militarisierten Nationenbildung unabdingbar. Vor allem die Einleitung der Japanologin Andrea Germer et al. bietet einen umfassenden Einblick in den Forschungsbereich.[5]


Bei der Forschungsstandsermittlung zeigte sich, dass seit den frühen 2000er Jahren Textilkunst mit Propaganda-Motiven im anglophonen, japanischen und deutschen kuratorischen Bereich Beachtung fand und dort deshalb eine günstige Informationslage

zu verzeichnen wäre. Allerdings ist die japanologische Perspektive zu Kimono mit Kriegsmotiven bisher nur wenig repräsentiert.


1.2. Definition Nationenbegriff und Kriegsikonografie

Im weiteren Verlauf wird wie folgt vorgegangen: Der erste Teil widmet sich der terminologischen Klärung. In Unterkapitel 1.2. wird grundsätzlich herausgearbeitet, was man unter dem Begriff Nation verstehen kann und welche Aspekte für Japans Nationenbildung von Bedeutung sind. Darauf folgt ein Abriss zur Kriegsikonografie und wie dieser Begriff für die vorliegende Analyse verstanden werden soll. Im Hauptteil werden diverse Stücke der propagandistischen Textilkunst vorgestellt und ikonografisch erschlossen. Das heißt, dass alle Motive identifiziert und beschrieben werden: Man erkennt das primäre Sujet. Darauf folgt die Identifizierung des Bedeutungssinnes, das sekundäre Sujet, bevor in einer letzten Stufe die eigentliche Bedeutung herausgearbeitet wird. Es geht dabei nicht nur um das Bildthema, sondern um die Darstellung des Gegenstandes als Zeugnis für eine bestimmte Einstellung in einer Epoche. Die einzelnen Stücke werden auch unter geschlechterspezifischen Kategorien betrachtet.


In der abschließenden Analyse in Kapitel 3 wird der Frage nachgegangen, ob und wie die gezeigten Kleidungsstücke Träger von Propagandabotschaften waren und ob sie für eine militarisierte Alltagspraxis standen. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass Textilkunst eine hohe Wirkmacht hat und sich ein großer Teil politischen Handelns in visuellen Objekten niederschlägt (vgl. Pfisterer 2019: 346). Im Fazit werden die gesammelten Erkenntnisse einer abschließenden Bewertung unterzogen, neue Fragestellungen aufgeführt und Problemfelder des eigenen Vorgehens beleuchtet.

1.3. Das Werden eines Nationenstaates

Jansen und Borggräfe halten fest, dass zwischen drei Ebenen des Nationenbegriffes,

der ideologischen, der symbolischen und der staatlichen unterschieden werden muss.

Die erste Ebene stellt sich die Frage, wie die Nation definiert wird, sie fragt nach den Merkmalen der Mitglieder einer Nation, welches Ziel der Nation als Ganzes zugeschrieben wird und nach den Inklusions- und Exklusionskriterien. Die zweite Ebene schafft den Ursprungsmythos, kreiert Erzählungen und Geschichten über das Wesen der Nation und schaut nach Eigenschaften, die die Nation äußerlich kennzeichnen. Die letzte Ebene richtet sich auf die staatlichen Identifikationsmerkmale wie Nationalfeiern, kulturelle Selbstdarstellung, Hymnen und Flaggen ​(vgl. Jansen/Borggräfe 2007: 19). Der Forschungsgegenstand Kimono zählt zum Bereich innere Nationenbildung. Dazu gehören Mittel, die unter die staatlichen Identifikationsmerkmale fallen, wie Denkmäler, nationale Feste, Feierlichkeiten, Rituale und Symbole, die nicht nur von Regierungsseite eingesetzt werden, sondern auch von Gesellschaftsverbünden wie Vereinen oder Parteien. Meistens geht der Ursprung auf national bewusstes Engagement zurück und wird von Regierungsseite verstärkt und ausgebaut (Jansen/Borggräfe 2007: 29). Textilkunst mit Propaganda-Motiven, die nicht nur im Privaten getragen, sondern auch bei Veranstaltungen präsentiert wurde, fällt in diesen Bereich.


Die ersten Identifikationssymbole entstanden unmittelbar nach der Meiji-Restauration. Die offizielle Nationalflagge („Flagge der aufgehenden Sonne“, Kyokujitsuki 旭日旗) wurde im Jahr 1870 präsentiert, und die Nationalhymne „Die Kaiserliche Regentschaft“ (Kimigayo

君が代) folgte wenig später. Die Meiji-Verfassung (Dainippon Teikoku Kenpô 大日本帝国

憲法) als Grundstein der Nation wurde im Jahr 1889 erlassen und positionierte den Kaiser als einen Herrscher, der Japan auf alle Zeiten ununterbrochen regieren würde. Er sei heilig und unverletzlich (Scheid 2001: o. A.). Im Prozess der Nationenbildung sollte der Meiji-Tennô (明治天皇 1852-1912) eine Position im Zentrum der Erneuerung einnehmen und identitätsstiftend sein (vgl. Scheid 2001: o. A.). Im Alltag wurde der Tennô-Zentrismus auf verschiedene Art und Weise verstärkt. Mit der Einführung der Schulpflicht im Jahr 1873 stieg die Anzahl eingeschriebener Schüler kontinuierlich. In Schulhöfen wurden kleine Schreine (hôanden 奉安殿) errichtet, die nicht nur mit dem Porträt des Kaisers und seiner Frau, sondern auch dem Kaiserlichen Erziehungsedikt (Kyôiku Chokugo 教育勅語) ausgestattet waren. Vor diesen hatten sich Lehrer und Schüler täglich tief zu verbeugen. Zudem wurde die Anzahl der Feiertage erweitert. Der vermeintliche Jahrestag der Reichsgründung durch den ersten Kaiser (Jinmu tennô 神武天皇), der laut mythologischer Chronik auf den 11. Februar 660 v. u. Z. zu datieren ist, wurde neu aufgenommen. An den neuen Feiertagen sollten alle Staatsbürger dem Tennô seine Hochachtung erweisen (vgl. Scheid 2001b: o. A.). Der Kaiser, der bis dato eine eher unbeachtete Rolle im Leben der Bevölkerung spielte, wurde nun zur Manifestierung der japanischen nationalen Einheit ​(vgl. Maruyama 1979: 145). Auch wenn die hier aufgeführten Beispiele einen starken Einfluss von Seiten der Regierungsebene zeigen, waren national bewusste Tendenzen sicher wechselseitig. Man kann jedoch in der Vorkriegszeit deutlich beobachten, dass ein freies Bewusstsein innerhalb der Bevölkerung unterdrückt werden sollte und jede Form von gesellschaftlicher Unzufriedenheit auf Sündenböcke im In- und Ausland gelenkt wurde. Der japanische Nationenbildungsprozess verhinderte eine politische Emanzipation in der Bevölkerung zu Gunsten des Schutzes der „nationalen Einheit“ (Maruyama 1979: 143).[6]


Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts machte sich in Japan ein „diffuser religiös-historisch legitimierter Nationalismus“ in der „öffentlichen Erziehung und im japanischen Alltag“ breit und führte zu einer „Massenbewegung, ähnlich dem Faschismus in den mit Japan verbündeten Nationen Deutschland und Italien“ (Scheid 2001a: o.A.). Dieser ultra-nationalistische Nationengedanke verbreitete sich auf allen Ebenen und Produktions-bereichen der Gesellschaft. Die Textilindustrie war davon nicht ausgenommen, insofern sind auch Propaganda-Kimono mit den Mitteln einer Kriegsikonografie bzw. der politischen Ikonografie zu interpretieren.


1.4. Politische Ikonografie des Krieges

Bei der politischen Ikonografie handelt es sich um eine Methodik, die in der Kunstgeschichte von Martin Warnke, ehemaliger Kunsthistoriker und Gründer des Warburg-Hauses, Forschungsstelle politische Ikonografie, im Laufe der 1970er Jahre etabliert worden ist. Im Handbuch der politischen Ikonografie (2011) kommt er zu dem Schluss, dass Kunst schon immer ideologische Botschaften transportiert hätte und Macht besäße: „Die Metapher vom Bild als Waffe, lange Zeit eine hybride Selbstüberschätzung der Karikatur, wird zunehmend zur blutigen Realität“ (Schröder 2019: o. A.). Auf der Seite zur Forschungsstelle politische Ikonografie wird treffend zusammengefasst, dass Kunstwerke sowie alle weiteren visuellen und digitalen Erzeugnisse unsere Lebenswelt prägen. Die politische Ikonografie bietet als interdisziplinäres, methodisches Rüstzeug einen Zugang, um sich dieser Bilderfülle zu nähern und sie in eine historische Perspektive zu stellen (Warburghaus 2021: o. A.).[7]


Wie man erkennen kann, ist die politische Ikonografie breit gefächert und kann unter keinem festen Begriffsrahmen zusammengefasst werden. Sie soll daher um die Kriegs-ikonografie ergänzt werden. Das soll spezifischere Erkenntnisse ermöglichen und dabei unterstützen, komplexe ikonografische Zusammenhänge abseits der allgemeinen politischen Ebene und der reinen Ästhetik in den Kriegsmotiven aufzuspüren und zu vergegenwärtigen. Es ist nämlich die „autosuggestive Bildkommunikation“, die den Einsatz von visuellen Trägern auf Propaganda-Kimono besonders interessant macht (Pfisterer 2019: 346). Auch wenn es keinen festen Begriffsrahmen gibt, sollen im Folgenden für den Beitrag gültige Parameter bestimmt werden, die unter der Kriegsikonografie Anwendung finden werden.


Kunst in totalitären Systemen hat die Aufgabe, vorgegebene Charakterwerte der Bevölkerung zu mobilisieren. In Japans Fall bedeutete das eine „neue Bevölkerung“,

die den Ansprüchen eines modernen Staates als Kolonialisten, Wehrpflichtige, Arbeiter

und Patrioten gerecht werden müsse (vgl. Uno 1999: 8). Diese Form der Kunst soll „reine Gefühle und entschlossene Willensstärke bieten; sie soll alles Sentimentale, Weiche und Träumerische meiden und faustische, unbedingte, fanatische Gemütswerte fördern. Die Gebundenheit des Menschen an Volkstum und Rasse setzt sich ästhetisch um als eine Vorliebe für das Typische, Monumentale als Meidung jeglichen ‚volksfremden Individualismus‘“ (Pfisterer 2019a: 443).


Kriegsikonografien zeichnen ein gewünschtes Bild vom Krieg, einen sauberen, heldenhaften und gerechten Krieg, um die Gesellschaft hinter der Regierung zur „Heimatfront“ zu formieren. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Bilder instinktiv für wahr gehalten werden. Diese Motive haben sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf immer mehr Gegenständen und Textilien wiedergefunden. Dazu gehörten u.a. Fächer, Futon als Braut-Aussteuer, Tücher und Kimono.


Während Textilkunst als solche bereits auf ein Forschungsinteresse stößt, ist sie innerhalb der historischen Propaganda-Forschung weitestgehend unbeachtet geblieben. Das mag einerseits daran liegen, dass Textilien ein ganz offensichtliches Propaganda-Werkzeug sein können, aber gleichzeitig in dieser Funktion bizarr wirken. Sie sind aber schon immer Träger patriotischer Sentimentalitäten gewesen, fungieren als visuelle Repräsentation nationaler Einheit und bezeugen nationale und militärische Ziele. Die Methode der Kriegsikonografie soll dabei helfen aufzuzeigen, dass die Propaganda-Kimono integraler Bestandteil der Propaganda-Maschinerie waren und die Themen und Motive der militärischen und politischen Ziele Japans im Krieg widerspiegelten​ (Atkins 2005: 19).



2. Hauptteil: Konstruierte Erzählungen auf Propaganda-Kimono

Textilkunst mit propagandistischen Motiven ist keine Erscheinung des Pazifikkrieges gewesen. Es lassen sich vor der Meiji-Periode zum Beispiel Kabuki-Szenen oder kriegerische Darstellungen auf Kimono, vornehmlich sogenannten Unterkimono (nagajuban 長襦袢) für Männer finden. In der Meiji-Zeit wurden diese Motive mit tatsächlichen Kriegsdarstellungen aus dem Russisch-Japanischen Krieg (1894-1895) und dem Ersten Sino-Japanischen Krieg (1904-1905) ersetzt. Die Vorlage stammte von japanischen Farbholzschnitten (nishiki e 錦絵). Die Motive basierten zwar auf realen Ereignissen, waren aber nichtsdestotrotz konstruiert und fokussierten sich auf heroische Abbildungen und weniger auf die blutige Realität des Krieges. Diese Kimono-Produkte erfreuten sich besonderer Beliebtheit, da frühere Kleiderordnungen nicht mehr gültig waren und eine neue Extravaganz zuließen (Wakakuwa 2005: 187). Deren Entwicklung ging Hand in Hand mit der Technisierung der Textilindustrie. Während vorher Massenproduktion nicht möglich und die Produktion noch auf Handarbeit angewiesen war, eröffnete die westliche Mechanisierung neue Wege zur Massenproduktion. Die erste erwähnenswerte Textilfabrik wurde 1872 in Tomioka gegründet und hatte 400 Angestellte (vgl. Tsurumi 1990: 25-26).


Neben der Mechanisierung der Textilproduktion wurde der Textildruck ebenfalls technisiert. Ab 1910 konnte der Rollendruck für Baumwollstoffe und Musselin eingesetzt werden. Er war weniger arbeitsintensiv und kostspielig als die traditionelle Färbetechnik (yûzen 友禅), aber genauso farbenprächtig und vielschichtig​ (Atkins 2005d: 158). Damit war die Grundlage für die Massenproduktion von Textilprodukten mit propagandistischen Motiven gelegt. Neben den verschiedenen Kimono-Produkten wurden Futon mit diesen Motiven produziert sowie Einwickeltücher (furoshiki 風呂敷), Bindegürtel (obi 帯) oder auch Fächer. Es lassen sich farbenprächtige Stücke für Männer, Frauen und Kinder finden, die bis zum Pazifikkrieg verschiedene motivische Phasen durchliefen. Aufgrund der schwierigen Lage zur zeitlichen Einordnung der Kleidungsstücke, werden die repräsentativen Objekte geschlechter-spezifisch in den folgenden Abschnitten ikonografisch erschlossen.


2.1. Repräsentative Propaganda-Kimono für Männer

Der nächste Abschnitt widmet sich einem kurzen Unterkimono (juban 襦袢), hergestellt aus Kunstseide (Viskose). Er gehört der Don-Cohn-Sammlung[8] an und kann auf das frühe

20. Jahrhundert (ca. 1905) datiert werden. Die gedruckte motivische Darstellung der heroischen Reiter basiert auf der Textilkunst des Sassaniden Reiches, auch neupersisches Reich genannt. Das Original „Vier löwenjagende Reiter“ wird im Shôsôin Tempel in Nara aufbewahrt und besteht aus Brokatstoff. Die geflügelten Pferde und die Anordnung im Reigen wurden davon übernommen, die Jäger im Original wurden jedoch durch japanische Reiter ersetzt. Diese befinden sich offenbar in einer lebhaften Auseinandersetzung mit russischen und chinesischen Kräften (Atkins/Otaka 2005: 85).


Der Unterkimono ist floral bestückt und gräulich blau gefärbt. Die Reigen sind hellgelb unterlegt mit einzelnen Details in Rot, Schwarz und kräftigem Gelb. Der Kragen (kakeeri

掛衿) ist schwarz gehalten. In der Mitte des Reigens sind vier Reiter angeordnet. Sie tragen alle die gleiche Uniform, unterscheiden sich aber in ihrer Schärpe. Ein Reiter trägt eine weiße statt einer roten Schärpe. Im Zuge der Uniformierung zeichneten Schärpen Offiziere aus. Die Uniform wurde hochwertig verziert und entspricht der damaligen Feldmarschall-Uniform (Uniformology 2000: o. A.). Die Reiter sind mit altertümlichen Waffen ausgestattet. Zwei Reiter tragen jeweils einen Speer, an dem die japanische Hi no maru-Flagge (Sonnenkreis-Flagge) befestigt ist, und zwei weitere Reiter sind mit einer langen Hiebwaffe ausgestattet. Das Herrscherbildnis wird mit den geflügelten Pferden unterstrichen. Jedes der Pferde trägt eine Chrysantheme als Brandzeichen. Die Chrysantheme ist die Nationalblume Japans und repräsentiert das Kaiserhaus.


Ein schwarzer doppelköpfiger Adler kann auf diesem Unterkimono unterschiedlich interpretiert werden, repräsentiert aber wohl die feindliche Macht Russland. Der Doppeladler ist ein Symbol mit langer Geschichte, das einen seiner ersten Ursprünge ebenfalls im Sassaniden-Reich hatte. Auf Textilkunst aus dem 5. Jahrhundert lässt sich der Doppeladler auf einem Kommandanten-Umhang finden (De Vries 2011: o. A.). Das zeigt die lange militärische Verbundenheit mit diesem Symbol. Gleichzeitig identifiziert Russland sich mit dem Motiv, und es findet sich heutzutage weiterhin auf dem Wappen der Russischen Föderation (Botschaft Russische Föderation 2022: o. A.). Dass sich die Szene in erster Linie auf den Russisch-Japanischen Krieg bezieht, wird dadurch unterstrichen, dass der Doppeladler von den als japanisch markierten Pferden niedergetrampelt wird.


Der dargestellte Tiger wird ebenfalls von den Reitern mit Hiebwaffen angegriffen. Die Tigersymbolik hatte in der chinesischen Kunst verschiedene Funktionen eingenommen und stand traditionell für die Armee. Beispielhaft ist etwa die Hushenying-Einheit zu nennen, die im Boxer-Aufstand kämpfte und als „göttliche Tiger-Einheit“ übersetzt werden kann. Es lassen sich Tiger-Symboliken auf Soldaten-Uniformen und Schildern finden (Chinese Martial Arts Study 2014: o. A.). Der Tiger ist demnach als visuelle Repräsentation Chinas zu verstehen.


Als letzter Punkt kann das Sternen-Symbol im äußersten Ring des Reigens herangezogen werden, das sich an allen vier Punkten der Himmelsrichtungen befindet. Das auf Sechsecken basierende Muster (asanoha mon'yô 麻の葉紋様) ist ein Symbol für Heiligkeit und das Amulett für den Großschrein Ise (Ise jingu 伊勢神宮), dem größten shintoistischen Heiligtum. Dieser Unterkimono kann deshalb als Leinwand für die frühen Kriegserfolge des modernen Japans verstanden werden. Während die motivische Darstellung traditionsbewusst erscheint, ist das Material, die Kunstseide, ein Zeugnis der Moderne. Gleichzeitig ist die Motivauswahl noch sehr subtil und beansprucht eine gewisse Decodierungsfähigkeit im Vergleich zu späteren Propaganda-Kimono.[9]


Im zweiten Beispiel wird ein Musselin-Unterkimono aus den späten 1930er-Jahren mit dem Titel „Fortunes of War“ besprochen. Das Kleidungsstück gehört der Sammlung Hirai Sachiko an. Es erzählt in vier unterschiedlichen Kreisen die Geschichte der Soldaten, die sich für den militarisierten Nationenstaat im Pazifikkrieg opferten. In einem der Kreise ist ein großer Torbogen (torî 鳥居) abgebildet, der an den Eingang des Yasukuni-Schreins erinnern soll, ein häufig verwendetes Symbol auf Textilkunst zu dieser Zeit (vgl. Atkins 2005a: 325). Auf dem Weg zum Schrein befinden sich viele Kinder mit ihren Müttern. In einem weiteren angrenzenden Kreis sieht man zwei Kinder mit dem Rücken zum Betrachter gewandt.

Das linke Kind trägt eine typische Matrosenuniform, das rechte Kind eine Offiziersuniform und salutiert einem Soldaten. Die Kinder werden von einem Welpen begleitet. Ein Mädchen im Hintergrund trägt eine Hi no maru-Flagge, um ihre Hochachtung während des Schreinbesuches auszudrücken. Im dritten Kreis sind drei Kinder in einfacher Kleidung abgebildet, die sich verbeugen. Es ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, ob sie sich vor einem Soldaten oder einem Schrein verbeugen. Im vierten Kreis ist eine Fahne mit der Aufschrift bu‘un chôkyû 武運長久 (Kriegsglück) vor einem Torbogen zu sehen. Sehr wahrscheinlich verbeugen sich die Kinder vor einer Tempelanlage und nicht vor einer konkreten Person. Gleichzeitig sieht man im vierten Kreis zwei schwarze Tauben vor einem Sonnenuntergang fliegen, ein allgemeines Symbol der Trauer.


Die Szenerie soll also womöglich Kinder darstellen, die um ihre Väter trauern, die im Krieg gefallen sind. In den abwechselnd hell-dunklen Querstreifen im Hintergrund lassen sich weitere Objekte erkennen: In den dunklen Streifen sind Kriegsschiffe sichtbar, als deutlicher Bezug zur Marine. In den hellen Streifen sind diverse Maschinen abgebildet. Es lassen sich Panzer erkennen, Militär-Motorräder sowie verschiedene Flugabwehrmaschinen. Bei diesem Objekt zeigt sich, dass bei den späteren Kleidungsstücken weniger Decodier-fähigkeit benötigt wird. Die Motive sind schnell und deutlich erfassbar, plakativ und somit auch für die allgemeine Bevölkerung greifbarer.

2.2. Repräsentative Propaganda-Kimono für Frauen

Im folgenden Unterkapitel werden drei unterschiedliche Textilstücke für Frauen betrachtet: Der erste Unterkimono für Frauen gehört der Sammlung Hirai Sachiko an, besteht aus Seide und stammt aus der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges. Das Kleidungsstück ist kräftig rot gefärbt. Im Wechsel sind Anker und Kirschblüten in Weiß darauf gemalt. Auf den Kleidungsstücken für Frauen und Kinder ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass weitaus subtilere militarisierte Motiviken verwendet worden sind als bei den Kleidungsstücken für Männer (vgl. Atkins/Otaka 2005: 88). Während die Kirschblüte oft als ein Sinnbild für das menschliche Opfer im Krieg verwendet worden ist, wurde sie bei Propaganda-Kimono für Frauen immer mit anderen Symbolen verbunden, um die eigentliche Bedeutung zu schwächen.


In dem hier gezeigten Beispiel ist es der Anker (Atkins 2005b: 65). Zudem war das offizielle Insigne der Marine eine Kombination aus Anker und Kirschblüte (vgl. Ohnuki-Tierney 2002: 110). Ergänzend ist hinzuzufügen, dass die Farben des Kimonos die Hi no maru-Flagge widerspiegeln. Daraus lässt sich erkennen, dass der Kimono die Unterstützung für Nation und Marine zum Ausdruck bringen soll. Das Motiv war ursprünglich im Kontext eines kulturellen Nationalismus zu sehen: Die Kirschblüte stand für die „japanische Seele“ (Yamato damashî 大和魂) und für die Schönheit Japans (Ohnuki-Tierney 2002: 106).

In der Spätphase des japanischen Militarismus muss man dann von einem politischen Nationalismus sprechen, denn das Soldatische wird überhöht. Den eingezogenen Soldaten bringt man in direkte Verbindung mit der blühenden Kirschblüte (vgl. Ohnuki-Tierney 2002: 103). Somit wurden auf einer äußerst ästhetisierten Ebene die Kriegsaktivitäten der Marine unterstützt. Bezeichnend ist zugleich, dass dieser Kimono nicht von einer gewöhnlichen Hausfrau getragen wurde, sondern von einer Prostituierten. Gut denkbar ist daher, dass das Kleidungsstück bei einer einschlägigen Zusammenkunft mit Angehörigen der Marine getragen wurde, denen eine Unterstützung ihrer militärischen Einsätze kundgetan werden sollte; es war gestaltet worden, um eine bestimmte Klientel zu bedienen (Atkins 2005b: 65).


Der nächste Unterkimono stammt aus den späten 1930er Jahren. Er besteht wiederum aus Musselin-Stoff und gehört ebenfalls der Hirai-Sachiko-Sammlung an. Die Farbgebung ist blau, weiß und grau mit einzelnen roten Details. Zwei Hauptmotive sind zu erkennen: ein Koi-Fisch und eine Puppenfigur. Bei der Puppe handelt es sich um eine kaiserliche Puppe (gosho ningyô 御所人形), die traditionell mit dem Kindertag in Japan (Kodomo no hi 子供の日) assoziiert wurde. Die gosho ningyô wurden mit allen Eigenschaften verbunden, die man sich damals für einen Sohn wünschte: Vitalität, Gesundheit und Kraft. Teilweise ordnete man die Ausstaffierung der Figuren historischen Persönlichkeiten zu, in der Hoffnung, dass das eigene Kind deren durchweg für positiv erachtete Charaktereigenschaften übernehmen würde.


Die Puppe auf dem Unterkimono ist in einer kämpferischen Pose abgebildet und hält die Flagge der aufgehenden Sonne (Kyokujitsuki 旭日旗) vor dem Hintergrund eines Sonnenuntergangs. Ihre Bekleidung weist zugleich Elemente von Moderne und Tradition auf: Einerseits trägt sie einen modernen Soldatenhelm, andererseits ein Wams (jinbaori

陣羽織), das vormoderne Soldaten über einer Rüstung trugen. Inmitten des Wamses ist eine Kirschblüte abgebildet (vgl. Atkins 2005: 276a). Im Zuge der Militarisierung Japans wiesen immer mehr Uniformen und Waffen Kirschblütenmuster in verschiedensten Varianten auf. Die Kirschblüte wurde zum bedeutendsten bildlichen Ausdruck des ästhetisierten Militarismus und war in dieser Form eingängig für die Bevölkerung.[10]


Zusätzlich abgebildete Koi-Fische stehen für Beharrlichkeit und Stärke: Eigenschaften, die man nicht nur von einem Sohn verlangte, sondern auch von der Bevölkerung im Krieg. Hier ist spannend zu beobachten, dass alle diese Motiviken sich seltener auf Frauenbekleidung haben finden lassen. Doch scheint es nachvollziehbar, warum diese Motivkombination in der Darstellung auch für die Mutter (eines Sohns) attraktiv war (vgl. Atkins 2005a: 276).


Das letzte Beispiel behandelt ein Kleidungsstück, dessen Propaganda-Botschaft besonders auffällig ist. Dabei handelt es sich um einen Reisemantel (michiyuki kôto 道行きコート) aus dem Jahr 1943, auf dem der Angriff auf Pearl Harbor (1941) abgebildet ist (Dower 2012: 142): Man erkennt den brennenden Hafen sowie die zerstörten Schlachtschiffe. Im Vergleich zu den anderen Kleidungsstücken ist bei diesem Reisemantel keine umfassende Decodierung notwendig. Die Zerstörungskraft des Krieges wird in aller Deutlichkeit gezeigt und verherrlicht. Pearl Harbor ist in der damaligen japanischen Medienberichterstattung gefeiert worden und wurde zu einer beliebten populärkulturellen Ikonografie, die nicht nur auf Textilkunst, sondern auch auf Postkarten und weiteren Medienobjekten zu sehen war. Das Ereignis wurde instrumentalisiert, um die Bevölkerung noch stärker für den Krieg zu begeistern (Dower 2012: 143). Bei den beschriebenen Beispielen hat sich bestätigt, dass Propaganda-Kimono für Frauen dezentere Anspielungen bemühen, dafür in ihrer Farbgebung kräftiger sind. Es gab aber auch Ausnahmen, wie sich im Beispiel des Reisemantels gezeigt hat.


2.3. Repräsentative Propaganda-Kimono für Kinder

Aus einem Brief von Lafcadio Hearn (1850-1904) lässt sich herauslesen, dass man zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele prächtige Kinder-Kimono mit Kriegsmotiven sehen konnte. Gesichertes Fotomaterial dazu ist jedoch schwer zu finden, weswegen die hier aufgeführten Beispiele aus den 1930er Jahren stammen, der Hochphase der Propaganda-Kimono (vgl. Atkins/Otaka 2005: 81).


Als erstes wird ein Kinder-Kimono für einen Schreinbesuch (omiya-mairi お宮参り) aus den späten 1930er Jahren betrachtet, der offenbar nie getragen wurde. Dieses Kleidungsstück war für den ersten Schreinbesuch mit dem Neugeborenen vorgesehen und fand in der Art Verwendung, dass es von Mutter oder Großmutter als schalartiger Umhang getragen wurde, welcher über die Schultern hin reichend auch das Kind in diese Anmutung einer schützenden Hülle miteinbezog. Das Bekleidungsstück entsprach der Größe eines Kleinkindes, sodass der Kimono auch bei späteren formellen Ereignisse getragen werden konnte (vgl. Dower et al. 2012: 182). Wie bei den Gewändern für Männer war die Farbgebung dunkel gehalten, in diesem Beispiel schwarz, dunkelblau und grau – das Objekt zählt ebenfalls zur Hirai-Sachiko-Sammlung und wurde mit der traditionellen Yûzen-Technik hergestellt.


Auf dem Kimono sind sehr dominant zwei Kriegsschiffe zu erkennen, die Musashi 武藏

und die Yamato 大和.[11] Bei beiden Darstellungen ist eine Chrysantheme auf dem Bug

zu sehen, sie entsprechen in diesem Detail den Originalschiffen. Die Szenerie setzt sich zusammen aus der Kulisse eines stürmischen Meeres und zwei Kampfflugzeugen. Eine der Maschinen ist eine Kawasaki Ki-10. Ein Jagdflugzeug, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund seiner Wendigkeit bewährte, aber zurzeit von Pearl Harbor nur für die Pilotenausbildung verwendet wurde. Bei dem anderen Flugzeug handelt es sich um eine Zero-Sen-Maschine (rei shiki kanjô sentôki 零式艦上戦闘機; Zero-Fighter), das bekannteste und meistgebaute japanische Flugzeug. Die Piloten gehörten zu den Eliten

der kaiserlichen Flotte. Diese Flieger lösten in Japan die Hoffnung aus, mit internationaler Technologie konkurrieren zu können. Die „Zero-Sen“ stand für eine Vision von neuer Technologie, die Internationalismus, Nationalismus und darüber hinaus natürlich Militarismus verband. Zum Ende der 1930er Jahre war moderne Kriegsführung ohne Kampflugzeuge undenkbar (Atkins 2012: 124). In diesem Kleidungsstück zeigt sich also erneut eine Faszination durch Kriegstechnik in der Hochphase des militarisierten Nationalstaates.


Als Beispiel für einen Mädchen-Kimono wird ein Objekt für den Festtag von drei-, fünf- und siebenjährigen Kindern (shichigosan 七五三) aus Kunstseide in Augenschein genommen. Der Kimono gehört zur Nagata-Ranko-Sammlung[12], stammt aus den späten 1930er Jahren und ist in unterschiedlich starken rosafarbenen Querstreifen gefärbt. Zu erkennen sind Kinder, die im Reigen tanzen und eine Hi no maru-Flagge in die Luft halten sowie eine Fahne mit einem roten Kreuz. Ein weiteres Kinderpaar trägt eine Fahne mit dem Schriftzug „sicherer Sieg“ (hisshô 必勝). Die Kinder werden von Hundewelpen begleitet (vgl. Wakakuwa 2005: 194). Die Bildsprache bei Mädchen-Kimono entspricht in ihrer Subtitlität der der Frauen-Gewänder. Ohne den Krieg an sich darzustellen, liegt der Fokus auf der patriotischen Moral. Hundewelpen und tanzende Kinder im Reigen unterstreichen die Verharmlosung des Krieges.

Bei dem letzten Objekt handelt es sich um einen festlichen Jungen-Kimono (haregi 晴れ着). Er besteht aus Musselin-Stoff und wurde in den späten 1930er Jahren getragen (1938-1940). Das Objekt ist Teil der Alan Marcuson & Diane Hall-Sammlung.[13] Es zeigt eine Kombination diverser Motive der Moderne und des japanischen Militärstaates. Die Farbgebung ist in Dunkelblau und Weiß gehalten, die einzelnen Motive sind kreisförmig arrangiert. Im ersten Kreis sind drei verschiedene Flaggen angeordnet. Die Hi no maru-Flagge, die Flagge der Mandschurei und die des besetzten Chinas.


Im Kreis darunter ist ein futuristischer Zug abgebildet, der einem Prototypen des Technikers Aizawa Jirô (相澤次郎 1903-1996) entspricht. Der Zug sollte einerseits autonom Gefahren-stellen auf Schienen erkennen und gleichzeitig elektronisch von einer Schaltzentrale aus steuerbar sein (vgl. Cyberneticzoo 2014: o. A.). Der dritte Kreis zeigt den Berg Fuji (Fujisan 富士山) als Symbol der Nation. Davor fliegt in einem weiteren Kreis ein damaliger Langstrecken-Bomber mit der Aufschrift Nippon auf den Flügeln. Dabei handelt es sich um einen Nakajima-G5N2-Shinzan-Bomber. Shinzan bedeutet in diesem Fall „tiefer Berg“ (shinzan 深山) (Flieger Web 2022: o. A.). Langstreckenbombenflugzeuge wurden aber aufgrund der Rohstoffknappheit nie eingesetzt. Die Szenerie wird von schwarzen Schwalben begleitet, einem universalen Symbol für Hoffnung und Freiheit.


Die acht beschriebenen unterschiedlichen Propaganda-Kimono repräsentieren in ihrer Gesamtheit die verschiedenen Facetten der Kriegsmaschinerie Japans. Während zunächst der Fokus auf der Darstellung des heroischen Narrativs lag sowie – im Falle von Frauen und Kindern – auf weniger offensichtlichen, ästhetisierten Motiviken, entwickelten sich die Kleidungsstücke der späten 1930er Jahre zu textilen Trägern grenzenloser Technik-faszination und der Überstilisierung des Heldentodes.


3. Analyse: Wirkungsmacht von Propaganda-Kimono

Der nächste Abschnitt wird abschließend der Frage nachgehen, welche Rolle Textilkunst

mit propagandistischen Motiven in dieser Maschinerie spielte und welche Wirkung ihr zugesprochen werden kann. Insgesamt zeigt sich, dass die besprochenen Beispiele sowie die allgemeine Fülle an Propaganda-Textilien eine lange zeitliche Spanne der visuellen Propaganda abdecken – angefangen vom ersten Sino-Japanischen Krieg bis hin zum Pazifikkrieg. Während die Motiviken variieren und verschiedene Aspekte der sozialen Kontrolle und Kriegsmobilisierung ansprechen, verbindet diese Textilien eine gemeinsame Bildsprache (vgl. Kushner 2011: 9). Zunächst ließen sich bei den Beispielen deutliche geschlechterspezifische Unterschiede aufzeigen. Die Kleidungsstücke für Männer und Jungen stehen in starkem Kontrast zu den Gewändern für Frauen und Mädchen. Im Falle der Propaganda-Kimono für Männer und Jungen zeigt sich eine zurückhaltendere Farbpalette in Kombination mit einer ausgeprägteren Motivik. Bei den Kleidungsstücken für Frauen und Mädchen ist die Bildsprache subtiler, weswegen stärker mit einer kräftigen Farbgebung gearbeitet wurde (vgl. Atkins 2012: 110-111). Parallel wurden damit gesellschaftliche Idealvorstellungen an das jeweilige soziale Geschlecht übertragen, in der Hoffnung, dass junge Mädchen und Frauen die Rolle einer „guten Ehefrau und weisen Mutter“ erfüllen und junge Männer sowie Jungen die Rolle „mutiger Soldaten“ (vgl. Atkins 2012: 133).


Aufgrund der Dokumentationslage ist es schwierig festzustellen, in welchem Rahmen und Umfang Propaganda-Kimono tatsächlich benutzt wurden. Jedoch kann man aufgrund der Motive, der Farbenpracht und der allgemeinen Beschaffenheit der Kleidungsstücke annehmen, dass sie bei Schreinbesuchen, Militär-Paraden sowie privaten Festlichkeiten getragen wurden (vgl. Kushner 2011: 18). Sie waren kein Alltagsprodukt für Hausarbeit oder berufliche Tätigkeiten, standen vielmehr für eine ritualisierte Alltagspraxis in der ultranationalistischen Nationenbildung. Gleichzeitig bekräftigt das Beispiel Reisemantel, dass es sehr wohl Objekte gab, die für den Betrachter im öffentlichen Raum sichtbar waren und nicht nur bei Festlichkeiten. An diesem Objekt lässt sich noch eine weitere Entwicklung aufzeigen: Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts Propaganda-Kimono oft auf überlieferte Heldengeschichten zurückgriffen, nehmen spätere Bebilderungen häufiger in direkter Art und Weise auf Zeitungsberichte oder andere Medien Bezug. Einige Objekte legen von einer gewissen Radikalisierung Zeugnis ab, es scheint, als hätte sich die Darstellung von Kriegsmotiven auf Kleidungsstücken im Rahmen der Militarisierung Japans verschärft (vgl. Atkins 2012: 142).

Ziel der Produktionen war es, jede Ebene der Gesellschaft zu erreichen. Die Motive waren im Übrigen nicht ausschließlich für Textilkunst vorgesehen. Sie waren Teil einer gesellschaftsübergreifenden Propaganda, die solche Motiviken über Werbung, Zeitungen, Radio, Schulbücher, Spielzeug und eben auch mittels Kleidungsstücken verbreitete. Dies führte zu einem täglichen und ununterbrochenen Konsum dieser Bilder über verschiedenste Medien (vgl. Atkins 2012: 92). Es überrascht daher nicht, dass sich mit dem Aufkommen der Propaganda-Kimono zum ersten Sino-Japanischen Krieg gleichermaßen illustrierte Magazine mit Kriegsbildern einer großen Beliebtheit erfreuten (Dobson 2016: 47). Infolge des Russisch-Japanischen Krieges erreichten Magazine noch höhere Auflagen. „Kapitalisierung der Militarisierung“ ist hier das wichtige Schlagwort (Dobson 2016: 49). Auf diese Weise wurde die Bevölkerung zu einem Träger der Propaganda-Maschinerie; man war von der Richtigkeit der aggressiven Expansionspolitik Japans überzeugt (vgl. Kushner 2011: 9).


Es mag überraschen, dass Propaganda-Kimono nie von staatlicher Seite produziert oder finanziert wurden. Jedoch unterstreicht das nur die Effektivität der Propaganda. Propaganda-Maßnahmen sind nämlich nicht ausschließlich auf den höchsten Ebenen des Militärs und der Regierung beschlossen worden. Maßnahmen sollten aus der Gesellschaft selbst hervorgehen oder mindestens so erscheinen. Man sah den Schlüssel für erfolgreiche Propaganda im Bündnis von ziviler, militärischer und politischer Seite und bezog dergestalt die Bevölkerung in diesem Prozess mit ein. Dafür schuf man im Jahr 1938 mit dem nationalen Mobilisierungsgesetz (kokka sôdôin hô 国家総動員法) eine rechtliche Ebene, womit jeder in die Pflicht genommen wurde, die Kriegsbemühungen zu unterstützen (Nakazawa 2016: 14). Somit kann man sehr wohl von einem indirekten Einfluss auf die Produktion und Verbreitung von Propaganda-Kimono sprechen, die einen Teil dazu beitrugen, die Bürger auf die aggressive Expansionspolitik und die Vision einer „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ (Daitôa kyôeiken 大東亜共栄圏) einzustimmen

und sie so zu mobilisieren (vgl. Kushner 2006: 6-7).


Man war davon überzeugt, dass man gesellschaftliche Konformität erreichen würde, wenn der Kollektivismus nur stark genug wäre (vgl. Kushner 2006: 4). Durch die stetige Wiederholung militarisierter Bildsprache wurde, wie hier dargelegt, die staatliche Propaganda-Maschinerie gefördert (vgl. Kaneko 2016: 69). Kaneko Maki fasst passend zusammen, dass es zwischenzeitlich weniger die staatlichen Propaganda-Bemühungen waren, die das Kriegsfieber in der Bevölkerung steigerten, sondern die Konsumindustrie mit ihrem Einfluss auf die Sozialpsychologie (Kaneko 2016: 71). Es ist demnach auch äußerst kritisch zu sehen, dass bedingt durch letztlich monetäre Ziele eine Militarisierung der Nation noch zusätzlich angeheizt wurde.

Die staatliche Seite beabsichtigte, vor allem mit Darstellungen von Kriegsmotiven, über die tatsächlichen Folgen der aggressiven Expansionspolitik hinwegzutäuschen und die positive Vision eines „Ostasiatischen Paradieses“ aufrechtzuerhalten. Zentrales Ziel der Regierung war es, ein Ostasien zu etablieren, in dem die japanische Technologie, Sprache, Urbanisierung und Gesinnung das Leben aller Menschen verbessern würden. Japans Obsession war die Vorstellung eines großasiatischen Reiches. Das stand im Kontrast zur harten Realität des Mandschurei-Überfalls und der Invasion Chinas zwischen 1931-1937.

In den japanischen Medien hatte man bereits den Russisch-Japanischen Krieg lebhaft kommentiert, der Überfall auf die Mandschurei übertraf jedoch die bisherige Medien-repräsentation (Kushner 2011: 21). Idealisierte Propaganda-Darstellungen waren es, die

die militärischen Aggressionen vonseiten Japans verharmlosten – man zeigte an der Heimatfront zum Beispiel gerne die neuen Züge, Autos und Flugzeuge sowie städtische Utopien und Infrastruktursausbau (vgl. Kushner 2011: 15).


Die Glorifizierung des Krieges war zu diesem Zeitpunkt tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verwurzelt und lenkte von der wirtschaftlichen Realität in den 1930er Jahren ab. Propaganda-Kimono echoten das staatliche Narrativ von militärischen Einsätzen als willkommene Transportmittel in Richtung Fortschritt (vgl. Aktins 2012: 133). Sie bewährten sich als gute Werbeträger, um die tatsächliche Gefahr und Zerstörung des Krieges zu verharmlosen. Die äußerst hoch ästhetisierten Kleidungsstücke boten also eine perfekte Illusion. Maruyama Masao spricht hier passend von einem unsichtbaren ultra-nationalistischen Netz, das sich um die Bevölkerung gelegt hatte, ein Netz, aus dem sie sich kaum befreien konnte (Maruyama 1979: 1). Je weiter aber der Krieg voranschritt und je größer die Verluste auf japanischer Seite waren, desto stärker gerieten die Kimono infolge der Anti-Luxus-Leitlinie „Luxus ist der Feind“ (zeitaku wa teki da 贅沢は敵だ) in die Kritik und konnten schließlich kaum mehr getragen werden (vgl. Kushner 2011: 21).


4. Fazit

Um die Ergebnisse noch einmal kurz zuzusammenfassen: Zum Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts kann man beobachten, wie Textilkunst zu einem allgemeinen Träger des Modernisierungsprozesses wurde. Der Modernisierungsprozess in Japan wurde von einer aggressiven Expansionspolitik begleitet. These war, dass man am Beispiel der Propaganda-Kimono von einer militarisierten Alltagspraxis in Japans Moderne sprechen kann. Im Kontext des Pazifikkrieges konnte ihre eigentliche Bedeutung als Zeugnis für diese Zeitphase aufgezeigt werden. Es hat sich gezeigt, dass Textilkunst als ein perfektes Werkzeug der propagandistischen Kriegsinszenierung verwendet wurde und über die autosuggestive Bildkommunikation als visuelle Trägerin in einer allumfassenden Propaganda-Maschinerie fungierte. Die Kleidungsstücke sollten die Bevölkerung mobilisieren und die Expansionspolitik rechtfertigen, indem die abgebildete Kriegs-ikonografie ein gewünschtes Bild zeichnete, einen sauberen, heldenhaften und gerechten Krieg, fernab der tatsächlichen und brutalen Realität. Es wurde eine falsche Vision von technologischem Fortschritt in einer „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ reproduziert, um die Bevölkerung hinter der „Heimatfront“ zu formieren.

Das Resultat dieser Mobilisierung ist allgemein bekannt.[14]


------------------------- Grundlage des vorliegenden Beitrags ist eine Seminararbeit, die im Rahmen eines Masterseminars im Wintersemester 2021/2022 der Japanologie Frankfurt verfasst wurde. Die Verwendung der Titel-Abbildung dieses Beitrags erfolgte mit freundlicher Genehmigung durch Norman Brosterman.


Fußnoten:

[1] Die Sammlung basiert auf den Arbeiten des Textilkünstlers Kubota Itchiku (久保田一竹1917-2003).


[2] Norman Brosterman (*1952) ist Schriftsteller und Kunstsammler, der sich nicht nur auf antikes Spielzeug spezialisiert hat, sondern auch auf Textilien und antike Muster.


[3] Ohnuki-Tierney ist Anthropologin und war an der Universität Wisconsin tätig. Während ihre Kapitel zur Ästhetisierung der Kirschblüte und zu den verschiedenen Interpretations-möglichkeiten Anwendung finden, muss eine Abgrenzung zu den restlichen Kapiteln, insbesondere denen zur Nationenbildung in Japans Moderne und zu der Kamikaze-Sonderangriffseinheit der Marine (tokkôtai 特攻隊), gezogen werden. Der Versuch Ohnuki-Tierneys, einzelne Flieger der Sonderheit zu humanisieren und differenziert darzustellen, kann nur geschichtsrevisionistisch bewertet werden. Ihre Publikation muss daher äußerst kritisch betrachtet werden.


[4] Der Sammelband Mirror of Modernity: Invented Traditions of Modern Japan (1998) von Stephan Vlastos, Historiker für moderne japanische Geschichte, hat zwar letzten Endes keine Anwendung mehr gefunden, kann aber bei der Erläuterung der einzelnen Propaganda-Narrative unterstützen, indem der Band imperiale Mythen der aggressiven Kolonialpolitik Japans aufdeckt und Beispiele erfundener Traditionen anführt.


[5] Herausgegeben wurde der Band von Andrea Germer (Lehrstuhlinhaberin am Institut für Modernes Japan der Heinrich-Heine-Universität Düsseldort), Vera Mackie (Prof. em der Asian International Studies, University of Wollongong) und Ulrike Wöhr (Professorin für Japanologie und Genderstudien an der Städtischen Universität Hiroshima (Hiroshima Shiritsu Daigaku). Es ist hinzuzufügen, dass die historisch arbeitende Japanologin Andrea Germer im Rahmen eines Gastvortrages an der Goethe-Universität Frankfurt im Jahr 2015 mit dem Titel „‘Kleider machen Leute‘. Kleidung und Zeitlichkeit in der visuellen Propaganda in Japan“ über Fotografien und Zeichnungen von Kleidung in Propaganda-Zeitschriften der 1930er und 1940er Jahre referierte und derzeit unter dem Themenkomplex „Gendering Fascism“ zur visuellen Propaganda während des Pazifikkrieges forscht.


[6] Es zeigt sich, dass die Nation als politisch vorgestellte Gemeinschaft zu verstehen ist, die über eine ideologische, symbolische und staatliche Ebene verfügt. Parallel kann man die kapitalistische Entwicklung der Industrialisierung und Urbanisierung in Verbindung mit dem Prozess der Nationenbildung beobachten, weil, wie Anderson bereits treffend formuliert, der Kapitalismus zur treibenden Kraft des Nationengedankens wurde ​(Anderson 1996: 44).


[7] Sie behandelt alle „sichtbaren Ausformungen politischer Ideen und Inhalte“ und dient in erster Linie der „Lesbarmachung und Deutung jeglicher Bildthemen, die der Sphäre des Politischen zugeordnet werden können“. Die politische Ikonografie hilft bei der neuen Bilderflut des 20. Jahrhunderts „latente oder verloren gegangene ikonografische Zusammenhänge aufzuspüren und zu vergegenwärtigen“. Darunter fallen auch Materialstudien und Untersuchungen von Produktion und Rezeption. Die Bildinhalte geben nämlich nicht nur Auskunft über den Sender, sondern auch über den Empfänger (Pfisterer 2019: 345-346).


[8] Don Cohn ist ein Privatier, der im Laufe seines Lebens in China und Japan residierte und neben seinen Buchpublikationen eine beachtliche Sammlung an ostasiatischer Kunst erwerben konnte. Im öffentlichen Raum tritt er als Großspender sozialer Projekte auf.


[9] Auf den Seiten 170 und 194 aus Wearing Propaganda (2005) werden zwei weitere Propaganda-Kimono für Männer gezeigt, die im vorliegenden Beitrag nicht mehr besprochen werden konnten. Diese zeigen im Vergleich eindeutige Kriegsszenen und Reproduktionen aus Zeitungen und Filmen.


[10] Ohnuki-Tierney führt auf S. 110 ihrer Publikationen die verschiedenen Abzeichen und Kirschblüten-Insignien für diverse Einheiten auf.


[11] Sie gehörten zu den größten, am schwersten bewaffneten und gepanzerten Schiffen, die jemals in Japan gebaut wurden.


[12] Nagato Ranko führt einen Kimono-Laden für antike Kleidungsstücke (LUNCO) in Tôkyô und hat u. a. Roses: Japanese Style Textile Design Books (2019) publiziert.


[13] Dabei handelt es sich um ein Kunsthändler-Ehepaar, die nicht nur ostasiatische Kunst sammeln, sondern auch Textilkunst aus Afrika sowie Australien und Ozeanien.


[14] Für eine weitere Bearbeitung der Thematik wäre ein komparatistischer Blick zwischen der propagandistischen Textilkunst in Japan und beispielsweise Deutschland interessant, um Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Kriegsmobilisierung zu erkennen. Propaganda-Kimono mögen einzigartig sein, aber propagandistische Textilkunst nicht. Es wäre spannend zu beobachten, wie sich die Motive unterscheiden oder in welchem Umfang solche Textilkunst getragen worden ist. Es ist positiv zu beobachten, dass das Interesse an Propaganda-Kimono grundsätzlich nicht abflacht. Derzeit findet im DKM-Museum Duisburg eine Ausstellung zu der Sammlung von Inui Yoshiko statt (http://www.museum-dkm.de/omoshirogara/). Diese widmet sich den bizarren Mustern in Form einer Synthese von Tradition und Neuem. Parallel dazu werden zeitgenössische japanische Kunstwerke gezeigt. Der Beitrag soll demonstrieren, dass das spannende Thema rund um Kleidungs-stücke mit propagandistischen Kriegsmotiven viel Raum zur multidisziplinären Forschung bietet.


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