"Inoue Hisashi (1934-2010), 2003 bis 2007 Präsident des japanischen P.E.N.-Clubs, gilt als einer der Grandseigneurs des landeseigenen Gegenwartstheaters, war jedoch ein sehr vielseitiger Schriftsteller, der u.a. Romane, Science-Fiction-Texte oder Lieder für Anime-Serien schrieb. Mit dem Anfang 2023 im Iudicium Verlag erschienenen Band in der Übersetzung von Wolfgang Schlecht sind nun auf Deutsch zwei bekannte Werke des Theaterautors Inoue nachzulesen: Schminke (jap. Keshō, 1982) und Meister Yabuhara (Yabuhara Kengyō, 1973). Die Stücke sind in Japan auch heute noch zu sehen [...]
Das erste der Theaterstücke zeigt in zwei Akten eine kürzere Episode aus dem Leben der Yôko Satsuki, Leiterin einer Schauspielertruppe. Der Abschnitt gestaltet sich in Form einer monologisierenden, an verschiedene Personen adressierten Rede der Solo-Protagonistin. Während sie sich in der Garderobe, wie man vermutet, für den Auftritt schminkt und schon erwartet, als großartige Bühnenpersönlichkeit gefeiert zu werden, erfährt man, dass das Volkstheater (taishû engeki) durch das neue Medium Fernsehen erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde [...] Das zweite Stück, Meister Yabuhara, spielt – in zwanzig Szenen – im Shogunat der Edo-Ära. Protagonist des burlesken Dramas ist Sugi no Ichi, der spätere Yabuhara Kengyô, Mitglied der Gilde der blinden Musikanten, Masseure und Akupunkteure. Um innerhalb des Verbands vom einfachen Zatô zum höchsten Rang des Kengyô-Obermeisters aufzusteigen und damit auch in der Gesellschaft der Gesunden gute Aufnahme zu finden, muss er für jede Stufe eine stattliche Summe entrichten: Zahlbar an die Bürokratie des Shoguns."
Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 20. Februar 2023
Link: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=29470
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