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Rezension zu Murata Sayakas "Zeremonie des Lebens"

"Wie andere zeitgenössische Autorinnen und Autoren in Japan hat Sayaka Murata kein allzu großes Mitleid mit den Menschen. Ihre Arbeiten vereinen auf überzeugende Art und Weise subtile psychologische Analyse mit aktuellen biopolitischen Weichenstellungen, posthumanistische Strömungen mit buddhistischen Nihilismen, vitalistische Anklänge mit einer für die japanische Ästhetik typischen Blickbegrenzung auf außergewöhnliche Details. Murata setzt beim Dialog der Figuren an, deren Einlassungen, Persönlichkeit oder Verhalten man unmittelbar als seltsam einstuft. Auf einer zweiten Ebene offenbart sich dann oft eine Gesellschaft, die merkwürdige Sitten entwickelt hat – häufig in der nahen Zukunft.


Die zwölf übersetzten Texte aus dem Band „Zeremonie des Lebens“ bieten eine reiche Auswahl dieser Einblicke ins Absonderliche. Murata gelingt es in den meisten Fällen, den Sog ihrer sich zwischen Science Fiction und Horror bewegenden Anderswelten voll zu entfalten. Sie kann sich dabei einer literarischen Strategie bedienen oder ihrem poetischen Instinkt folgen, beides führt zum Erfolg. Noch wiederholen sich die Motive der Autorin nicht auffällig, ihr Vorrat an unglaublich bizarren Phantasien scheint nach wie vor reichhaltig zu sein [...]


Themen der Erzählungen sind Ehe, Familie, Kinder, Identität, Tod und Essen. Als Leitmotive wären das Verdikt einer ständigen Gefährdung im psychischen Bereich und der Tatbestand eines anhaltenden physischen Materiewandels auszumachen, der die Menschen mit ihrer Unvollkommenheit, Isolation und Endlichkeit konfrontiert. Wer es wie der Protagonist Yamamoto gelassen nimmt, ist klar im Vorteil."





















Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 17. November 2022


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