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Rezension zu Sachiko Kashiwabas „Sommer in der Tempelgasse“

"Der Eindruck verfestigt sich, dass beinahe alles, was heute an japanischer Literatur in Übersetzung den Weg in den westlichen Buchmarkt findet, stets zwei Themen aufzuweisen hat: Katzen und Geister. Inhalte aus Japan, d.h. „J-Content“, bleiben seit den 2000er Jahren in dieser Hinsicht verlässlich. Leser und Leserinnen scheinen diese Ausrichtung zu begrüßen. Neben dem Faktor Originalität, den Erzähltes aus Japan zu bieten hat, schätzen sie vermutlich auch die psychoregulative Komponente in vielen Geschichten – man hat sie in der Forschung als iyashi-Formel identifiziert. Während iyashi tröstende/heilende Impulse aussendet, erfüllt die sogenannte iyashi bungaku zugleich die Aufgabe, den Rezipienten aufzubauen und ihn für das Leben zu stärken. Sachiko Kashiwabas Sommer in der Tempelgasse kommt als Jugendliteratur ohnehin einem pädagogischen Anliegen entgegen, das Buch plädiert aber in erster Linie für die Überwindung von Ängsten sowie für Eigeninitiative und Mut.


Held der „Tempelgasse“ ist der Schüler Kazuhiro Sada, seines Zeichens ein bekennender Angsthase. Er wohnt mit seinen Eltern und der älteren Schwester in einem großen alten Haus. Vor wenigen Monaten hat er seinen Großvater verloren, gegenwärtig stehen die Sommerferien bevor. Der Autorin gelingt es auf wenigen Seiten, ein dichtes Bild von Familie, Schule und Freundeskreis zu zeichnen, wobei die oft als „Klein-Kyoto“ bezeichnete Stadt Masuda als Heimat des Protagonisten „Kazu“ eine auf das traditionelle Japan hin angelegte Hintergrundkulisse bietet. Zum Auftakt der Geschichte wird Kazu, der bis spät Gruselsendungen im Fernsehen ansieht, mit dem Anblick eines Mädchens im weißen Kimono konfrontiert. Er befürchtet, ein Geist sei in das Haus Sada eingedrungen, wird jedoch von seinen Verwandten nicht ernst genommen."






















Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 12. April 2024




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