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Tanikawa Shuntarô verstorben (1931-2024) - Ein kleiner Nachruf auf den großen japanischen Dichter

Bereits am 13. November verstarb mit Tanikawa Shuntarô 谷川俊太郎 der bekannteste wie auch bedeutendste japanische Gegenwartslyriker im Kreise seiner Familie.

Tanikawa etablierte ab den 1950er Jahren einen distinkten nachkriegszeitlichen Modus von freier Lyrik und gilt als Ikone des japanischen Gegenwartsgedichts (gendaishi). Sein Debüt "Die Einsamkeit von zwei Milliarden Lichtjahren" [Nijûoku-nen no kodoku 二十億年の孤独] setzte poetisch neue Akzente in Richtung einer thematischen und sprachlichen Individualität jenseits der ideologischen Gruppenorientierung vergangener Vorkriegsdekaden und blickte neugierig in die Sterne. Dieser sprachlich hochbegabte - und mit viel kindlicher Neugierde angehauchte - Zugang zur Welt der Zeilen wurde von Tanikawa in sieben Dekaden des Schreibens immer wieder neu erfunden. Auch als Übersetzer war Tanikawa aktiv, und übertrug z.B. die beliebte Comic-Reihe "Peanuts" um Snoopy und Charlie Brown ins Japanische.


Außerhalb Japans machte sich Tanikawa Shuntarô vor allem nach 2000 einen Namen, wofür im deutschsprachigen Raum insbesondere die Übersetzungen und Forschungsarbeiten des Züricher Japanologen Eduard Klopfenstein verantwortlich sind. Die Komposition und Performanz von Lyrik waren für Tanikawa auch ein soziales Ereignis, das er vor allem in diesen letzten Dekaden seines Lebens in internationalen Kooperationen suchte. Tanikawa war Pionier und Wegbereiter auch des modernen japanischen Kettengedichts (renshi), in dem mehrere Künstlerinnen und Künstler die poetische Verbindung eingehen.


Mit Tanikawa Shuntarô verliert die japanische Lyrik und die japanische Literatur nach 1945 einen ihrer innovativsten, sprachlich versiertesten und menschlichsten Vertreter:


Die Einsamkeit von zwei Milliarden Lichtjahren


Die Menschheit auf ihrer kleinen Kugel Schläft, steht auf und arbeitet

Manchmal sehnt sie sich nach Freunden auf dem Mars

Die Marsmenschen auf ihrer kleinen Kugel

Was sie wohl machen

Ich weiß es nicht

Vielleicht schlafafen, stehaufen und barbeiten sie

Manchmal sehnen auch sie sich nach Freunden auf der Erde

Zumindest das steht fest

Die Allgemeine Gravitationskraft

Ist die Kraft sich anziehender Einsamkeit

Das Universum ist verbogen

Darum sehnen sich alle nacheinander

Das Universum dehnt sich rapide aus

Darum sind alle unruhig

In zwei Milliarden Lichtjahren Einsamkeit

Muss ich unfreiwillig niesen


二十億光年の孤独


人類は小さな球の上で

眠り起きそして働き

ときどき火星に仲間を欲しがったりする

火星人は小さな球の上で

何をしてるか

僕は知らない

(或いは ネリリし キルルし ハララしてい るか)

しかしときどき地球に仲間を欲しがったりする

それはまったくたしかなことだ

万有引力とは

ひき合う孤独の力である

宇宙はひずんでいる

それ故みんなはもとめ合う

宇宙はどんどん膨らんでゆく

それ故みんなは不安である

二十億光年の孤独に

僕は思わずくしゃみをした


Christian Chappelow, 22. November 2024


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Photograph: Eugene Hoshiko/AP 


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