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Wikipedia Eintrag zu den literarischen Themen "ikikata" und "iyashi"

IKIKATA


"Gegenwärtig publizierte Ratgeber umfassen generell das Thema der Selbstoptimierung bzw. „Selbstentwicklung“ (jap. jiko keihatsu, 自己啓発) und beruhen auf simplifizierten psychologischen Konzepten, vor allem aus der positiven Psychologie und der Bindungspsychologie. Häufig angesprochen werden zwischenmenschliche Beziehungen (jap. ningen kankei; Liebe, Arbeitsplatz, Nachbarschaft), aber auch medizinisch-therapeutische Fragen und Hinweise zu Lebensführung, Sinnstiftung und Glücksfindung im Allgemeinen. Nicht selten greifen Ratgeber auf dem Genre angepasste „spirituelle“ bzw. ethnoreligöse Kernbotschaften (z. B. Huna, Neoschamanismus, Zen) oder auf populärwissenschaftlich adaptierte naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien zurück.


Darüber hinaus kann man ebenso literarischen Beiträgen und autobiographischen Schriften, die sich als Lebensbewältigungsliteratur mit der Meisterung persönlicher Krisen befassen, eine enge Verbindung zum Ratgeber attestieren. Ikikata no hon kamen Ende der 1990er Jahre vor dem Hintergrund der damaligen wirtschaftlichen Krise in Japan und der angespannten Atmosphäre eines fin de siècle, d. h. vor der Jahrtausendwende (jap. seikimatsu), zu einiger Popularität. Sie sollten Niedergeschlagenheit angesichts der Krisenstimmung sowie eigener Schwächen und Defizite mildern, Mut machen und vermitteln, dass es wichtig ist, sich selbst zu akzeptieren, gerade in Zeiten verstärkter psychosozialer Belastungen. Zugleich setzten sie den Trend zur „Selbstsuche“ (jibun sagashi) fort, der als Facette der japanischen „Spirituellen Welt“ (seishin sekai) / der japanischen Esoterikströmung[2] ab den 1980er Jahren Eingang in die Debatte um zeitgemäße Möglichkeiten der Selbstverwirklichung fand. Ebenso echoen sie das Moment der „Heilung“ (iyashi) aus dem Umfeld des japanischen New Age,[1] wobei sich dieses vor allem nach dem AUM-Schock 1995 aus dem semi-religiösen Kontext löst, um über den iyashi-Konsumtrend kurz vor der Jahrtausendwende zu eher unverbindlicheren Konzepten wie Wellness und Achtsamkeit vor dem Hintergrund eines zeitgemäß formatierten holistisch-nachhaltigen Lebensstils, der für das 21. Jahrhundert charakteristisch ist, weitergeführt zu werden. "



IYASHI


"Iyashi war als Adaption des westlichen „Healing“-Konzepts ursprünglich eine Facette der japanischen Esoterikrezeption der 1970er Jahre. Unter dem Motto (iyashi) entstand dann in den 1990er Jahren ein größeres kommerzielles Angebot an diversen Erzeugnissen, die „Trost und Heilung“ für eine von Stress gequälte Gesellschaft bereitstellen sollten; besonders populär wurden diese vor allem nach dem Erdbeben in Kôbe und dem AUM-Schock im März 1995 sowie im Zuge der Wirtschaftskrise 1997.

Zu den Konsumprodukten im Bereich iyashi zählen Spielzeuge und Stofftiere wie z. B. der Ende der 1990er beliebte Tarepanda たれぱんだ von San-X, Musik, Literarisches, Manga und Anime sowie die populäre Ratgeberliteratur (生き方の本 ikikata no hon). Diese Schriften versprechen seelische Wellness und beziehen sich auf vielerlei Bereiche; sie behandeln Fragen des Sinns, der Spiritualität, der psychosozialen Gesundheit und der Identitäts- und Glücksfindung, widmen sich aber vor allem auch der Überwindung von Traumata, etwa verbunden mit den Erfahrungen von „Fukushima“. Die japanische Ratgeberliteratur reagiert auf (und verstärkt diese gleichzeitig als Lifestyle-Design und Identitätsangebot) bestimmte psychosoziale Trends und zäsurale Ereignisse („Post-AUM-Ära“, „Post-Fukushima-Ära“) ebenso wie auf zeitgeschichtliche Verläufe und soziopolitische Setzungen. Sie ist seit einigen Jahren auch auf dem globalen Buchmarkt erfolgreich – zu nennen sind etwa die Bücher von Marie Kondo und Ken Mogi. Die japanische Unterhaltungs- bzw. Schemaliteratur baut ebenso nicht selten auf das Konzept, um, wie es oft in der Verlagsprosa heißt, den Lesern und Leserinnen „Mut zu machen“. Auch Literatinnen rezipieren den Trend wie Banana Yoshimoto, der man eine Nähe zum japanischen New Age,[2] attestieren kann, die zuerst der japanischen Religionswissenschaftler Susumu Shimazono 島薗 進 als seishin sekai 精神世界 / „spirituelle Welt“ erschloss.[3]"


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