"Milena Michiko Flašar ist seit ihrem 2011 erschienenen Text Ich nannte ihn Krawatte bekannt für die Umsetzung von Themen aus der japanischen Gegenwartsgesellschaft. „Krawatte“ beschreibt den Austausch eines zurückgezogen lebenden jungen Mannes mit einem älteren Angestellten. Herr Kato spielt Familie (2018) zeigt, wie ein orientierungsloser Pensionär als „Mietmensch“ zum Einsatz kommt. Nun erweitert die österreichische Autorin in ihrem neuen Roman den Beobachtungsradius und entwirft mit verschiedenen Portraits isolierter Figuren ein noch umfassenderes Panorama der Einsamkeit im Land [...]
Flašars neue Geschichte aus Japan liest sich gut. Die Komposition ist stimmig, angereichert mit originellen Szenen und Motiven. Die Botschaften werden gefällig dargeboten. In dieser Hinsicht fühlt man sich an Übersetzungen aus der japanischen Unterhaltungsliteratur der letzten beiden Dekaden erinnert, die ebenfalls häufig Ratgeberinhalte vermittelt – gerade zur Problematik der sozialen Isolation und zu einer gelungenen Lebensführung für die jüngeren Generationen. In der Tat könnte man Oben Erde, unten Himmel als ein konsequentes Sampling von J-Content interpretieren. Der Text lässt kaum ein gängiges Narrativ der japanischen Gegenwartskultur aus: Hikikomori, Freeter und die japanische Arbeitskultur, Prekariat, Randgruppen, Alterung der Bevölkerung, Shôwa-Nostalgie, psychosoziale Verwerfungen, Sammelleidenschaft bis hin zum Messie-Syndrom sowie – wen mag es erstaunen – Geister. Kein Japanbuch ohne Jenseitsbezug. Bei Flašar fehlen einzig die Katzen, die jedoch geschickt durch Hamster Punsuke ersetzt wurden."
Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 2. Mai 2024
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