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Rezension zu Hisashi Tôharas "Hiroshima"

Aktualisiert: 17. Juni

"Mit Hisashi Tôharas (1927–2007) ein Jahr nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima verfasstem Bericht über seine Erinnerungen an den verhängnisvollen Tag liegt nun in deutscher Übersetzung ein neues zeitgeschichtliches Textzeugnis zum 6. August 1945 vor. In der abschließenden Bemerkung zu Tôharas Erinnerungen hält Mieko, seine Witwe, fest, die Zeilen wären im Original in einem fadengehefteten Notizbuch aus der Kriegszeit enthalten gewesen. Niedergeschrieben worden sind sie wohl 1946, als Tôhara 19 Jahre alt war. Bei dem Text, den sie unter seinen Tagebüchern fand, handelt es sich nicht um eine literarisierte, gleichwohl in eine Form gebrachte Darstellung, die man als kansôbun kategorisieren könnte. Kansôbun ist ein gängiges, dem Besinnungsaufsatz ähnliches subjektives Genre und meint eine Erläuterung eigener Gedanken [...] Tôharas Aufzeichnungen sind mindestens auf zwei verschiedenen Ebenen interessant. Sie ermöglichen erstens einen Einblick in die Psychologie eines jungen Japaners, der, geprägt von der Erziehung zur Zeit des japanischen Militarismus, miterlebt, wie das „Fundament Großjapans krachend“ zerfällt. Zweitens beschreibt der Text authentische Erfahrungen im Zusammenhang mit der Wirkweise der nuklearen Waffe.


Der schmale Band möchte Gelegenheit bieten, sich acht Dekaden nach den Ereignissen noch einmal mit „Hiroshima“ zu befassen. In den beigefügten Erläuterungen des Japanologen und Übersetzers Daniel Jurjew sind aufschlussreiche Hinweise zum zeitgeschichtlichen Kontext und den zentralen Themen Tôharas enthalten. Die Stimme aus der Hölle ist deshalb eine sehr willkommene Ergänzung zur Anthologie Seit jenem Tag. Hiroshima und Nagasaki in der japanischen Literatur (1984) – vor über vier Dekaden im Fischer Verlag publiziert. Seit jenem Tag enthält Übertragungen literarischer Texte, u.a. die Aufzeichnung Sommerblumen, die die Erfahrungen des für die sogenannte Atombombenliteratur (genbaku bungaku) repräsentativen Schriftstellers Tamiki Hara (1905–1951) wiedergibt; dem lange schon vergriffenen Buch wäre im Übrigen eine Neuauflage zu wünschen. Anlass wäre nicht nur der 80. Jahrestag der Ereignisse von Hiroshima / Nagasaki am 6. und 9. August 2025, sondern auch der Umstand, dass die Auswirkungen nuklearer Waffen schon fast in Vergessenheit geraten sind und man heute gut daran tun würde, sich das Szenario in Form einer intensiven Relektüre erneut vor Augen zu führen."


Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 13. Juni 2025



ree

Der Übersetzer Daniel Jurjew hat

Japanologie an der Goethe-Universität studiert und sein Studium mit dem B.A. im Jahr 2016 abgeschlossen.

 
 
 

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