"Ikai (japanisch 異界; dt. Andere Welt)
Die Prägung ikai, „Andere Welt“, auch „Anderswelt“ oder „jene Welt“ (ano yo) im Sinne eines japanischen Jenseits oder eines Reichs von landeseigenen Geistern (yûrei) und Spukgestalten (yôkai), bezeichnet etwa seit den 1980er Jahren ein kulturelles, medial verbreitetes Konzept, mit dem japanische Publizisten, unter ihnen Literaten und Kunstschaffende, aber auch Kulturhistoriker, Ethnologen, Religionsforscher und Kunstexperten eine indigene „Andere Welt“ als Gegenentwurf zur „westlichen Moderne“ beschrieben.
Das Konzept wurde für die deutschsprachige Japanologie Mitte der 1990er Jahre von Lisette Gebhardt entdeckt und charakterisiertDemnach handelt es sich bei ikai in erster Linie um ein Medienphänomen bzw. um eine von bestimmten Akteuren lancierte intellektuelle, nicht selten kulturalistisch kodierte Phantasie, die sich in den 1980ern als Folklorenaissance und invented tradition im Zuge eines wachsenden Bedürfnisses nach Identität und Heimat manifestierte. Der Trend kam, gefördert von der auch für kulturelle Projekte günstigen Wirtschaftslage (Bubble-Economy) im damaligen Japan, in Kunst, Kultur und Wissenschaft zum Tragen: Während sich japanische Religionsforscher mit von ihnen als heimatliche Weltanschauung identifizierten animistischen oder schamanistischen Vorstellungen auseinandersetzten, wendeten sich Kunsthistoriker überlieferten japanischen Abbildungen von Geistern und Spukgestalten zu. Kulturhistoriker, bibliophile Archivare, Volkskundler und Märchenforscherinnen trugen japanische Überlieferungen vom Jenseits zusammen, Literaturwissenschaftler dechiffrierten überlieferte vormoderne und moderne Geistertexte oder erörterten unter dem Begriff der literarischen Phantastik (gensô bungaku) neuere literarische Beiträge zur Thematik des Übernatürlichen."
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